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09.09.2024

Galerie Unterdorf. Bilder hinzugefügt.

Mittweidaer Straße 159

 

Die Geschichte dieses Bauerngutes beginnt im Jahr 1541, als es neu aus der Teilung eines ursprünglich doppelt so großen Gutes entstand. Ob die Vorgängerbauten auf dem Gelände dieses Gutes oder im Bereich des Gutes Mittweidaer Straße 155 standen, ist nicht mehr nachzuweisen. Jedenfalls waren die beiden gleich großen Güter aus jener Teilung hervorgegangen, welche als Ausnahme und in Ebersdorf als Einzelfall zu betrachten ist, da Bauerngüter sonst nur als ungeteilter Besitz weitervererbt oder verkauft wurden. 

 

Um das Jahr 2005 entschloss sich der Eigentümer aufgrund von Baufälligkeit zum Abriss des ehemaligen um 1883 erbauten Wohnhauses, nachdem dieses Schicksal die zugehörigen drei Wirtschaftsgebäude bereits in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts getroffen hatte.

Abbruch des Wohnhauses um 2005

In älterer Zeit hatte das Gut immer als nach Osten hin offener Dreiseithof existiert, soweit es sich anhand kartografischer Darstellungen zumindest ab Ende des 18. Jahrhunderts  nachweisen lässt. Dicht westlich neben dem Hof befand sich auch ein kleiner Teich, der heute nicht mehr vorhanden ist.    

 

Die zum Gut gehörige halbe Hufe Landes (ca. 16 ha.) erstreckte sich vom Hof aus in nordwestliche Richtung und rainte an ihrem Ende mit Oberlichtenau, wo auch ein heute nicht mehr vorhandenes Waldstück zum Gut gehörte. In der Nähe des Gehöfts querte der so genannte Marktsteig die Felder, welcher vom Schieferschen Gut (Mittweidaer Str. 113) nach Osten zur Straße nach Oberlichtenau und Mittweida führte.

 

Etwa in der Mitte der Grundstücke querte der Agstenbach (jetzt auch als Angerbach bezeichnet) den Landstreifen, welcher einst den so genannten „Voigts Teich“ speiste. Dieser Teich wird zeitweise in Zusammenhang mit dem Eberdorfer Steinkohlenbergbau erwähnt. 1541 erwarb ihn der Grundherr Eustachius von Harras auf Lichtenwalde von Peter Thumler, dem damaligen Besitzer des Gutes. Ob dieser Ankauf durch die Herrschaft dem Zweck der Erweiterung ihrer Teich- bzw. Fischereiwirtschaft diente, welche in dieser Zeit durch die Lichtenwalder Grundherren sehr aktiv betrieben wurde, oder bereits zum Betrieb bergbautechnischer Anlagen gedacht war, lässt sich nicht mehr ermitteln. Ohnehin ist der Bergbau auf Steinkohle erst ab 1558 nachgewiesen.

 

1701 jedoch kommt es, dass der Grundherr Heinrich von Bünau auf Lichtenwalde die um den Teich herum befindliche Wiese vom Bauer Gottfried Voigt tauschweise erwirbt, um den Damm des Teiches erhöhen und damit dessen Fassungsvermögen erheblich vergrößern zu können. Voigt erhält dafür die Wiese am großen Teich bei der Brettmühle, die sich vor seinem Gut befand. Durch das im Teich gesammelte Wasser sollte ein Kunstgraben, der zum Steinkohlenbergwerk gehörte, ausreichend mit Wasser versorgt werden können.

 

Im Jahr 1726 fechtete die Herrschaft den Tausch von 1701 plötzlich an, da Rittergutsland gegen Bauernland nicht tauschbar wäre, und will ihre Wiese zurück, gelegen oberhalb des Ebersdorfer Brettmühlenteiches, damals noch „Großer Teich“ genannt. Ungeachtet dessen kommt es aber erst 1810 zu einem erneuten Tausch, wonach Heinrich Karl Wilhelm Graf Vitzthum von Eckstädt, Kammerherr und geheimer Finanzrat, als Vormund des minderjährigen Grafen Otto Rudolph, dem Johann Georg Streubel den Voigtsteich überlässt. Dafür gibt Streubel die Wiese oberhalb des großen Ebersdorfer Teiches, die er 1701 ertauscht hatte, wieder zurück. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts wurde der Teich dann nicht mehr genutzt.

Das Gut um 1789. Hier rot umrandet. Zu sehen ist noch der Voigts Teich und der Marktsteig

Am 23. August 1802 schlossen Johann Georg Streubel und Graf Friedrich August Vitzthum von Eckstädt einen Vertrag, betreffend die Nutzung von Streubels Grundstücken zum Abbau von Steinkohlen durch den Grafen. Streubel wurden als Gegenwert 9 Pfennige pro geförderter Tonne Steinkohlen versprochen. Der Vortrieb der Abbaustrecken erreichte spätestens 1862 das Unterirdische der zum Gut gehörigen Felder, kam aber schon 1865 zum Erliegen nachdem die Grube abgesoffen war.  

 

Auf den Feldgrundstücken wurden 1848 Hafer, Roggen, Gerste, Weizen, Erdäpfel, Wicken, Klee und Flachs angebaut. Das kleine zugehörige Waldstück lieferte Feuer- und Bauholz.

 

Besitzerfolge

 

Als Besitzer des Gutes vor der Trennung vom Gut Mittweidaer Str. 155 werden genannt:

 

1501 Valtn Denreich; 1514 wird Benel Arnolt genannt, dessen Nachfolger später Petter Thimmer (eigentlich Thümer) wird. Beide sind Pflüger und haben 24 Ruten Land; 1530 Peter Thumene, hat zwei Söhne und eine Tochter; 1541, am zweiten Sonntag nach Ostern, erfolgt die Teilung des Gutes, indem der Besitzer Peter Thumler die Hälfte seines Gutes an seinem Sohn Wolff Thumler verkauft.

 

Als Besitzer des Gutes Mittweidaer Str. 159 werden genannt:  

 

1541 Wolff Thumler; 1562 die Lenhartt Fischerin; 1565 Augsten Windisch kauft das Gut von Bastell Fischer und den unter Vormundschaft befindlichen Kindern sowie der Witwe Leonhard Fischers; 1573 Anders Fischer kauft das Gut von seinem Stiefvater Augsten Windisch. Der Stiefvater erhält den Auszug im Gut auf drei Jahre; 1575 und 1589/90 Andreas Fischer; 1592 Paul Fischer kauft von den Miterben seines verstorbenen Bruders Anders Fischers Gut. Der Mutter gewährt er freie Herberge. Dazu die Anmerkung, dass das Gut weder Wohnung noch Haus hat, somit hätte Herr Amtsverwalter Christof von Kitzscher zugesagt, dass er drei Jahre Befreiung von der Fron gewährt bis Fischer es wieder bestellen kann; 1595 bis 1622 Paul Fischer; um 1624 kauft Christof Höpner aus Dittersbach das Gut Paul Fischers; 1638 Christoff Höpners unvermögendes Gut; 1646 Christoph Höpners Gütel; 1646 Christoph Höpttner und Greger Agsten haben 7 Pferde und 9 Personen kurfürstliches Kriegsvolk vier Tage lang bewirtet; 1648 Michell Ulbricht von Oberlichtenau kauft Christoff Höpffners Halbhufengut für 125 Gulden. Ausgeschlossen nur ein zum Amt gehöriges Teichlein; 1650 Erbtausch Elias Richters und Michael Olbrichts um ihre beiden Güter. Michael Olbricht übergibt das Gut mit Gebäuden und der Sommer- und Wintersaat im Feld; 1651 George Fischer kauft Elias Richters Gut, ausgeschlossen ein Teichlein des Amtes für 75 Gulden. Den Dünger, den Georg Fischer als Pächter von Caspar Rüdels Gut erzeugt hat, will er Elias Richter, der die Absicht hat Rüdels Gut zu kaufen, gegen drei Klafter Scheitholz überlassen; 1667 und 1678 Georg Fischer der Untere kauft Peter Röhmers Halbhufengut. Hingegen läßt Georg Fischer seinen Sohn Martin in den alten Kauf treten weil ohnedies dieses Gut Georg Fischer gewesen ist vermöge der noch rückständigen Kaufgelder des Kaufes vom 5. Juli 1663; 1671 Martin Fischer; um 1678 Gottfried Voigtens Erbkauf um George und Martin Fischers halb Hufe; 1680 und 1695 Gottfried Voigt; 1701 Gottfried Voigts Teichwiesentausch; 1711 Johann Gottfried Voigts Kauf über seines Vaters Gottfried Voigts 12-Ruthengut; um 1720 George Streubels Kauf um Hans Gottfried Voigts Gut; 1734 Georg Streubel; um 1756 Hans Georg Streubels Kauf über seines Vaters Georg Streubels Gut; 1766 bis 1780 Johann George Streubel; um 1782 Johann Georg Streubels Kauf über seines Vaters Hans Georgs Halbhufengut; 1804 Johann George Streubel; 1810 Tauschvertrag zwischen der Gerichtsherrschaft zu Lichtenwalde und Johann Georg Streubel; um 1814/15 Joh. Georg Streubels Verpfändung seines Gutes wegen eines von Frau Christiane Dorothee verwitweter Reich zu Frankenberg erborgten Kapitales von 100 Talern; 1817 Johann Georg Streubels Verpfändung seines Gutes wegen eines aus dem Vermögen der unmündigen Franz Leberecht und Karl Leberecht, Gebrüder Albanus, erborgten Kapitals von 100 Talern; 1823 Johann Georg Streubel; 1834 Karl Gotthold Streubels Kauf über seines Vaters Johann Georg Streubels hinterlassenes Gut; 1841 Carl Gotthold Streubel; 1848 Johanne Eleonore verwitwete Streubel und Genossen Gesamtlehnschein über ihres Erblassers Halbhufengut; 1848 Karl Friedrich Streubels Kauf über das von seinem Vater Carl Gotthold Streubel hinterlassene Halbhufengut; 1889 Anna Klara verwitwete Barth, geborene Schneider; 1893 Anna Clara verwitwete Barth, Gutsbesitzerin; 1902 bis 1932 ist Friedrich Emil Ranft Gutsbesitzer, welcher das Erdgeschoss und das erste Obergeschoss bewohnt; 1943 Gutsbesitzer ist die Witwe Minna Ranft, welche das Erdgeschoss und erste Obergeschoss bewohnt; 1947 Ranft, dann W. Gerhardt. 

 

Bemerkungen

 

Gemäß Erbsitte und Brauch der ersten Siedler, welche diese teilweise aus ihrem Herkunftsgebieten mitgebracht hatten, wurde ein Bauerngut in der Regel an den jüngsten Sohn vererbt, welcher die Wahl (Kür) hatte, dieses gegen Zahlung des sogenannten Kürgeldes an einen anderen Familienangehörigen abzutreten. Eine Teilung des Gutes kam nicht in Frage, was auch durch die Hufenverfassung und die mit dieser verbundenen Leistungsfähigkeit gegenüber Grund- und Landesherrn bedingt war. Dennoch kam es in diesem für Ebersdorf einzigartigen Fall dazu.

 

Das Amtsbuch berichtet zu diesem Fall:

1541, Sonntag ..... cordias domini – Peter Thumler verkauft sein Gut zur Hälfte, was mit Erlaubnis seines Erb- und Lehnherrn geschieht, an seinen Sohn Wolff Thumler. Das Gut wurde durch Richter Peter Moller, Laurenz Arnoldt, Valten Khaden, Thomas Tengkerich, Bastian Fischer, George Kramer, Mathes Thyele, Geschworene, geteilt, verraint und versteint. Zinsen und Fronen wurden ebenso geteilt, wie bei einem Halblehn gebräuchlich. Nachdem auch Vater und Sohn einen Wiesenplatz für eine Teichstätte, so ihnen zur Zeit von denen von Harras eingeräumt worden, und weil die Thumer Willens, diesen Platz zu lassen, hat Eustachius von Harras den Platz für 11 gute Schock von den Thumelern wieder zu sich erblich erkauft und bezahlt.

 

Da es nach Ausgang des Mittelalters in anderen Dörfern Sachsens vermehrt zu derartigen Fällen kam, reagierte der Landesherr. Kurfürst August I. verbot per Anordnung von 1563 generell Güterteilungen. Die Notwendigkeit gesetzgeberischen Eingreifens ergab sich aus der Gefährdung der Steuerfähigkeit des Bauernstandes, denn die Grundherren hatten zunehmend Ausnahmen zugelassen, offensichtlich nur, um daraus auch Vorteile für ihre Eigenwirtschaft zu erlangen.